Der Spagat im eCommerce
Die Anforderungen an eCommerce-Verantwortliche waren noch nie so hoch wie heute: Auf der einen Seite stehen ambitionierte Wachstumsziele, steigende Conversion-Erwartungen und der Wunsch nach einem reibungslosen Kundenerlebnis. Auf der anderen Seite: wirtschaftliche Unsicherheit, steigende Betriebskosten – und ein zunehmend komplexes Risikoumfeld.
Gerade im Checkout treffen diese Spannungsfelder aufeinander. Hier entscheidet sich, ob aus einem Interessenten ein zahlender Kunde wird – oder ob der Kaufprozess abgebrochen wird. Doch was viele unterschätzen: Nicht nur UX (User Experience, also das Nutzungserlebnis aus Sicht der Kund:innen) und Preis entscheiden über den Erfolg, sondern auch das, was im Hintergrund passiert – etwa bei der Risikoprüfung.
Wie gelingt es also, Umsatzpotenziale zu heben, ohne das Risiko aus dem Blick zu verlieren? Diese Frage stellt sich heute mehr denn je – und sie ist der Ausgangspunkt für ein neues Verständnis von Risikomanagement im digitalen Handel.
Die unsichtbare Gefahr: Zahlungsausfälle & Betrug
Auf den ersten Blick läuft alles rund: Der Traffic stimmt, die Produkte sind gefragt, der Checkout ist optimiert. Und doch bleibt der Umsatz hinter den Erwartungen zurück – oder wird durch Zahlungsausfälle und Rückbuchungen geschmälert. Was viele eCommerce-Verantwortliche unterschätzen: Die größten Risiken sind oft nicht sichtbar – zumindest nicht auf den ersten Blick.
Gerade bei beliebten, aber risikobehafteten Zahlarten wie dem Rechnungskauf zeigt sich das Dilemma: Einerseits steigert er die Conversion, andererseits öffnet er Tür und Tor für Zahlungsausfälle und Betrug. Besonders bei Neukunden oder in Peak-Zeiten wie dem Weihnachtsgeschäft kann das schnell teuer werden.
Hinzu kommt: Betrugsmuster verändern sich ständig. Was gestern noch funktionierte, ist heute überholt. Klassische Prüfregeln und starre Score-Modelle stoßen hier schnell an ihre Grenzen – und lassen entweder zu viele Risiken durch oder blockieren gute Kunden unnötig.
Zwischen Kontrolle und Kundenfrust: Das Dilemma im Checkout
Der Checkout ist der kritischste Moment im Onlinehandel – hier entscheidet sich, ob ein Warenkorb zum Umsatz wird. Doch genau hier geraten viele eCommerce-Teams in ein Dilemma: Wie viel Kontrolle ist nötig, ohne den Kunden zu verlieren?
Strenge Risikoprüfungen können zwar Zahlungsausfälle verhindern, führen aber oft zu Kaufabbrüchen. Besonders ärgerlich: Wenn eigentlich vertrauenswürdige Kunden fälschlich abgelehnt werden – sogenannte „False Positives“. Die Folge: verpasste Umsätze, frustrierte Kund:innen und ein Imageschaden, der sich nicht so leicht beheben lässt.
Auf der anderen Seite stehen zu lasche Prüfprozesse, die zwar für eine hohe Conversion sorgen – aber auch das Risiko von Zahlungsausfällen und Betrug deutlich erhöhen. Viele Shops bewegen sich hier auf einem schmalen Grat – oft ohne die nötige Transparenz oder Flexibilität, um schnell reagieren zu können. Was fehlt, ist eine Lösung, die beides kann: Sicherheit und Kundenzentrierung. Und genau hier beginnt das Umdenken im Risikomanagement.
Der Wendepunkt: Warum Risikomanagement neu gedacht werden muss
Die Spielregeln im eCommerce haben sich verändert – und mit ihnen die Anforderungen an ein wirksames Risikomanagement. Klassische Score-Modelle, starre Prüfregeln und manuelle Prozesse stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Denn das Verhalten von Konsument:innen, Betrüger:innen – und auch von Systemen – ist heute dynamischer denn je.
Hinzu kommen neue Datenquellen, regulatorische Anforderungen und technologische Möglichkeiten, die bisher ungenutzt bleiben. Viele eCommerce-Teams arbeiten noch mit veralteten Tools, die weder flexibel noch lernfähig sind – und damit wertvolle Potenziale verschenken.
Was es jetzt braucht, ist ein Perspektivwechsel: Weg von der reinen Risikovermeidung, hin zu einer intelligenten Steuerung, die Chancen erkennt, bevor sie verloren gehen. Moderne Systeme setzen dabei auf Machine Learning, externe Datenquellen und kontinuierliches Lernen – und schaffen so die Grundlage für fundierte Entscheidungen in Echtzeit.
Was das konkret bringt: Mehr Umsatz, weniger Ausfälle, bessere Entscheidungen
Viele eCommerce-Teams stehen vor der Herausforderung, ihre Prozesse effizienter zu gestalten, ohne dabei an Sicherheit oder Kundenzentrierung zu verlieren. Genau hier liegt das Potenzial moderner, datengetriebener Risikosteuerung.
Mehr gute Kunden identifizieren, risikoreiche frühzeitig erkennen – und so Umsatzchancen nutzen, ohne das Risiko zu erhöhen. Durch präzisere Entscheidungen im Checkout lassen sich Annahmequoten optimieren, Zahlungsausfälle reduzieren und manuelle Prüfprozesse deutlich verschlanken.
Das Ergebnis: Weniger Reibung, mehr Umsatz, bessere Entscheidungen. Und nicht zuletzt: ein eCommerce-Erlebnis, das sowohl für Kund:innen als auch für interne Teams überzeugt.
Ausblick: Was eCommerce-Teams jetzt tun können
Die Anforderungen an Risikomanagement im eCommerce steigen – und mit ihnen die Chancen, sich durch kluge Entscheidungen vom Wettbewerb abzuheben. Wer heute auf moderne, datengetriebene Lösungen setzt, kann nicht nur Zahlungsausfälle reduzieren, sondern auch neue Umsatzpotenziale erschließen.
Doch wo anfangen?
Ein erster Schritt ist die kritische Bestandsaufnahme:
- Wie gut funktioniert unser aktuelles Risikomanagement wirklich?
- Wie viele gute Kunden verlieren wir durch zu strenge Prüfungen?
- Wie flexibel sind unsere Systeme, wenn sich Betrugsmuster ändern?
Wer diese Fragen stellt, ist bereits auf dem richtigen Weg. Denn Risikomanagement ist längst kein reines Abwehrthema mehr – sondern ein strategischer Hebel für Wachstum, Kundenzufriedenheit und Effizienz.
Autor
Jens Weissert
Senior Account Manager
jens.weissert@experian.com